
Arbeitnehmer/innen können auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichten
Dies gilt sowohl für bestehende Arbeitsverhältnisse als auch bei der Beendigung durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich oder etwa im Rahmen eines Aufhebungsvertrages. Der Mindesturlaub dient dem Gesundheitsschutz und ist gesetzlich besonders geschützt, daher ist ein Verzicht unwirksam.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seiner Entscheidung vom 03.06.2025 klargestellt, dass der gesetzliche Mindesturlaub oder dessen finanzielle Abgeltung nicht durch gerichtliche Vergleiche ausgeschlossen werden kann.
Mindesturlaub ist unverzichtbar
Nach dem Bundesurlaubsgesetzes steht Arbeitnehmern bei einer fünf-Tage-Woche ein Mindesturlaub von zwanzig Werktagen, bei einer sechs-Tage-Woche ein Mindesturlaub von vierundzwanzig Werktagen pro Jahr zu.
Das BAG hat nunmehr den gesetzlichen Mindesturlaub für unverzichtbar erklärt. Auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliegt dem Verzichtsverbot.
Ein Arbeitnehmer kann selbst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches nicht wirksam auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten, so lange das Arbeitsverhältnis besteht. Durch seine Entscheidung hat das BAG (AZ: 9 AZR/ 104/24) die Rechte von Beschäftigten weiter gestärkt.
Urlaubsverzicht aufgrund von Krankheit?
Im zu Grunde liegenden Fall stritten ein ehemaliger Betriebsleiter und seine frühere Arbeitgeberin über die Abgeltung von sieben Urlaubstagen aus dem Jahre 2023. Der Kläger war vom 01.01.2009 bis zum 30.04.2023 bei der Beklagten angestellt. Im Jahr 2023 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte seinen Urlaub infolg dessen nicht antreten. Im März 2023 einigten sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,00 €. In Ziffer 7 des Vergleiches wurde festgehalten:
„Urlaubsansprüche sind in Natura gewährt.“
Bereits im Vorfeld hatte die Anwältin des Betriebsleiters jedoch darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub gesetzlich unzulässig sei. Dennoch stimmte der Betriebsleiter unter Verweis auf die Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Vergleiches im Zuge einer Gesamteinigung dem Vergleich zu. Der Kläger konnte auch im April 2023 krankheitsbedingt keinen Urlaub nehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte der Betriebsleiter die finanzielle Abgeltung der verbleibenden Urlaubstage in Höhe von 1.615,11 € zuzüglich Zinsen. Die Vorinstanzen gaben ihm Recht, auch das BAG wies die Revision der Arbeitgeberin zurück.
Anspruch auf finanzielle Abgeltung
Nach Auffassung des BAG besteht gemäß § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubes. Nach dieser Vorschrift ist der Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Die entsprechende Regelung in Ziffer 7 des Vergleiches ist gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
Soweit die Regelung auf einen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubes abziele, verstoße sie gegen § 13 Absatz 1 Satz 3 des Bundesurlaubsgesetzes, so das Gericht. Danach darf von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes vertraglich nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer/ Arbeitnehmerin abgewichen werden. Somit ist eine Abweichung von § 7 Absatz 4 Bundesurlaubsgesetz ausgeschlossen.
Bereits in den Vorinstanzen hatte man darauf hingewiesen, dass eine solche Regelung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden könnte. Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses – wie im vorliegenden Fall – verbiete es der Schutzzweck von § 13 Absatz 1 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz, dass der Arbeitnehmer/innen auf seinen/ ihren gesetzlichen Mindesturlaub bzw. dessen Abgeltung verzichtet. Der Erholungsurlaub diene dem Gesundheitsschutz. Ein derartig hohes Schutzgut ist im Laufe eines Arbeitsverhältnisses vertraglich nicht disponibel.
Fazit: Schutz der Arbeitnehmenden im Vordergrund
Das Urteil des BAG stärkt den Schutz der Arbeitnehmenden in zentraler Weise. Der gesetzliche Mindesturlaub und dessen Abgeltung sind nicht disponibel – auch nicht im Rahmen eines Prozessvergleiches. Arbeitgeber müssen insoweit Gestaltungspielräume überdenken, Arbeitnehmer dürfen sich auf den Bestand ihrer Ansprüche verlassen.
Sollten Sie in diesem Bereich Beratungsbedarf haben, vereinbaren Sie gerne einen ersten Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Ulrich Paulussen.